25. Januar 2015

Die Atmung – Luftholen leicht gemacht

Oft werde ich gefragt, wie wichtig die Atmung ist. Ich antworte dann: Wird maßlos überschätzt. Hören Sie einfach auf damit. ;-). Der Mensch gegenüber ist zwar dann kein bisschen schlauer, doch wir haben schön gelacht. ;-) Natürlich meint mein Gegenüber, wie man richtig atmet. Ich finde die Frage interessant, weil die Atmung ja überwiegend vom Nervensystem gesteuert wird. Genauso könnte man fragen, wie man am besten seine Blähungen los wird und wie man richtig "bläht". ;-) So wie man auch das einfach geschehen lässt, sollte man es auch am anderen Ende des Körpers beim Einatmen tun. Trotzdem scheint es eine Menge Unklarheiten zur Atmung zu geben.

Deshalb soll es in diesem Beitrag um die physiologisch "richtige" Atmung gehen. Denn gerade auf diesem Gebiet kursieren im Volk und auch bei medizinisch Gebildeten die wunderlichsten Gedanken und Meinungen.

Stellen Sie sich vor, wie Sie mit einer Hand einen kleinen Gummiball leicht zusammenpressen. Dieser hat ein kleines Loch und beim Zusammenpressen strömt die Luft nach außen. Wenn Sie den Ball loslassen, dehnt er sich aus und Luft strömt in das Innere. So ähnlich funktioniert die Atmung beim Menschen. Ihr Rumpf wird von einer Körperfaszie umhüllt. In dieser eingelagert sind flache und kräftige Muskeln. Diese besitzen eine aktive Muskelspannung und halten den Rumpf zusammen. Wenn sich das Volumen des Rumpfes bei der Einatmung ändern soll, müssen die Muskeln loslassen und sich geschmeidig der Volumenveränderung anpassen. Die Muskeln und faszialen Bindegewebe müssen sich also mühelos verlängern können. Dann erfolgt die Einatmung wie von allein und der Rumpf kann sich ausdehnen.

Einer der wenigen Muskeln, der aktiv an der Einatmung beteiligt ist, ist der M. scalenus anterior. Das ist ein tiefer Muskel im Hals, der die erste Rippe für das Einatmen anhebt und sich noch vor dem Zwerchfell bewegt. Die erste Rippe liegt auf Höhe der Schlüsselbeine und ziemlich genau hinter den Schlüsselbeinen. Nur wenn sich der Brustkorb von oben als erstes weitet, kann die Luft richtig einströmen.

Nun können Sie sich vorstellen, wie sehr bei einem angespannten Brustkorb mit hochgezogenen Schultern oder auch einem Rundrücken die Atmung gestört ist. Ein unbeweglicher Brustkorb mit steifen und zu kurzen Bauchmuskeln ist übrigens sehr häufig in der Bevölkerung anzutreffen. Selbst bei Hochleistungssportlern lässt sich häufig das Atemvolumen und die Atemtiefe mit Senmotic Faszien-Therapie noch deutlich verbessern.

Unter zu starker Spannung stehende Muskeln mit ihren Faszienschichten pressen den Brustkorb in ein Korsett und verhindern eine mühelose Bewegung des Brustkorbs. Die Lungen überragen übrigens mit ihren Lungenspitzen leicht die Schlüsselbeine. Weswegen es für eine gute Atmung wichtig ist, dass die gesamte Lunge belüftet wird und nicht nur die unteren Anteile.

Die Lungenspitzen überragen geringfügig die Schlüsselbeine und bewegen diese im Atemzyklus mit.

Brust oder Bauch? Wohin mit der Atemluft?

Bei der Atmung wird häufig unterschieden zwischen Bauchatmung und Brustatmung. Schon rein anatomisch ist das ausgemachter Unsinn. Schließlich gibt es im Bauchraum keine Lungen. Die Bewegung des Bauches entsteht, weil auf der einen Seite seine Muskeln an der Ausatmung beteiligt sind und die Luft mit aus den Lungen pressen. Auf der anderen Seite müssen die Bauchorgane sowohl dem tiefer sinkenden Zwerchfell als auch der Volumenänderung des Brustkorbs durch die Atemluft ausweichen. Weil wir auf der Rückseite des Körpers die knöchernen Wirbelkörper haben, ist eine Ausdehnung nach vorn viel einfacher und die Bauchmuskeln wölben sich beim Einatmen leicht nach außen.

Ebenfalls verlängert sich die Wirbelsäule beim Einatmen nach oben. Deswegen sollte die Atembewegung auch im Rücken zu sehen und zu spüren sein. Auf der Vorderseite des Körpers wird hingegen beim Einatmen der Körper von den Schlüsselbeinen bis zum Schambein konvex. Wölbt sich nur der Bauch nach vorn, finden wir häufig einen unbeweglichen Brustkorb mit einer Verklebung an den faszialen Verbindungen genau auf Höhe des Zwerchfells. Diese fasziale Verklebung kann man bei vielen Menschen auch von außen gut sehen. Besonders dann, wenn sie zusammengesunken auf einem Stuhl sitzen.

Ein schön aufgebrezelter Six-pack und ein Rundrücken verhindern eine geschmeidige Ausdehnung des Rumpfes. Kann sich beispielsweise die Bauchwand nicht nach vorn wölben, können auch die inneren Organe nicht mühelos im Bauchraum nach unten sinken und Platz machen. Dadurch bleibt auch das Zwerchfell höher stehen. Die äußeren Muskeln des Rumpfes (Latissimus, Trapezius, Quadratus lumborum usw.), die sich eigentlich bei der Einatmung mühelos verlängern sollen, müssen sich nun nicht mehr komplett ausdehnen. Dieser Prozess sorgt dafür, dass sich die Faszien quer durch den ganzen Körper dieser ungewöhnlichen Belastung durch eine veränderte Zugspannung anpassen. Es entsteht ein fest gefügtes individuelles Atemmuster. Was der Mensch jedoch braucht und als Kind schon mal hatte: Ein genau auf die jeweilige Bewegung abgestimmtes Atemmuster. Beobachten Sie sich selbst und auch Ihre Mitmenschen. Wie oft wird bei eigentlich ganz simplen Bewegungen die Luft angehalten? Das ist immer ein Zeichen für ein gestörtes Atmen, für angespannte Bewegungen und für einen strukturell unausgewogenen Körper.

Zur Veranschaulichung habe ich hier auch wieder Bilder von einem Klienten, der sich hervorragend für diesen Beitrag eignet. Denn er hatte die weiter oben beschriebenen faszialen Verklebungen auf Höhe des Zwerchfells. Sehr gut zu erkennen als tiefer Einschnitt zwischen den Brustmuskeln und dem Oberbauch. Links sehen Sie die tiefe aktive Einatmung vor der 1. Sitzung Senmotic. Rechts die tiefe aktive Einatmung nach der ersten Sitzung Senmotic Faszientherapie.

Sie sehen auch, wie der unbewegliche Brustkorb flach nach unten gezogen wird. Diese manifestierte Dauerspannung verhindert, dass sich die Zwischenrippenmuskulatur beim Einatmen geschmeidig ausdehnt und der Brustkorb ausreichend Volumen bekommt. Der Bauch wölbt sich hingegen übermäßig nach vorn und muss die mangelnde Volumenveränderung des Brustkorbes durch zu viel Volumen ausgleichen. Durch die fasziale Arbeit insgesamt konnten die faszialen Verklebungen beseitigt, der Brustkorb im Volumen erweitert und der Bauch verlängert werden. Nach der einstündigen faszientherapeutischen Senmotic Sitzung war der Mann ganz aus dem Häuschen. Er war begeistert von der vielen Luft, die plötzlich so leicht und mühelos in ihn einströmte.

Das Fazit zum richtigen Atmen

1. Es gibt keine "entweder oder" Brust- oder Bauchatmung. Der Rumpf dehnt sich ungleichmäßig nach allen Seiten aus. Auch der Beckenboden bewegt sich im Atemrhythmus mit. Beim Liegen in der Rückenlage rotieren bei der Einatmung sogar die Beine leicht nach außen und nach innen bei der Ausatmung. Wollte man deswegen behaupten es gäbe eine Beinatmung? ;-)

2. Einatmen entsteht wie von allein durch Loslassen und Verlängern der Muskulatur am und im Rumpf. Vor allem das Zwerchfell und der M. scalenus anterior kontrahieren bei jedem Atemzug. Wir holen also keine Luft, sondern die Atemluft strömt in uns ein.

3. Die geschmeidige Beweglichkeit des gesamten Körpers ist für das Atemvolumen und die Atemtiefe verantwortlich.

4. Atmung beginnt mit der Weitung des Halses und dem Anheben der ersten Rippe. Ein angespannter Nacken und/oder ein zu weit vor dem Körper getragener Kopf verhindern physiologisch richtiges Atmen.

5. Viele Menschen mit einem Rundrücken und/oder einem sehr flachen Bauch atmen zu oberflächlich. Man muss auch bedenken, dass zwischen vorderer Bauchwand und der Lendenwirbelsäule nur wenige Zentimeter Raum sind. Je flacher und steifer die vordere Bauchwand ist, umso weniger Raum steht auch den inneren Organen zur Verfügung.